Neben der Diagnosestellung ist es für Patientinnen mit Lipödem wichtig, ausreichende Informationen über die Ursachen, verschiedenen Symptome sowie die Stadien und Lipödem Typen zu erhalten.
Eine Lipödem-Erkrankung ist nicht einfach nur eine Frage der Ästhetik. Neben dicken Beinen, Reiterhosen oder Cellulite müssen Sie oft starke Beeinträchtigungen Ihres alltäglichen Lebens in Kauf nehmen. Bei einem Lipödem handelt es sich um eine symmetrische Fettvermehrung, die meist an den Beinen, am Gesäss und an den Armen auftritt und in der Regel nur Frauen betrifft. Die Fettverteilung im Körper ist bei dieser Krankheit gestört und nicht, wie lange angenommen, eine Folge von Übergewicht. Neben Wassereinlagerungen treten massive Spannungsschmerzen auf, die in vielen Fällen mit vermehrten Blutergüssen und Druckschmerzen an den betroffenen Stellen einhergehen. Nicht nur der psychologische Effekt einer als unschön empfundenen Körperform macht Ihnen zu schaffen, auch der Juckreiz und starke Schwellungen sowie schmerzende Beine machen ein aktives Leben oft schwer. Beim Lipödem handelt es sich um eine chronische und progrediente Krankheit. Progredient bedeutet, dass die Krankheit fortschreitet und sich das Krankheitsbild bzw. der Krankheitsverlauf verschlimmert.
Das Lipödem entsteht durch 2 Faktoren:
- Die Vermehrung der Fettzellen in der Unterhaut, wodurch sich feste, knötchenhafte Strukturen bilden
- Wassereinlagerungen in den Fettzellen, verursacht durch eine Störung der Kapillardurchlässigkeit der Blutgefässe
Es gibt weitere Lympherkrankungen, deren Symptome denen des Lipödems ähneln. Zu den Differenzialdiagnosen zählen das Lymphödem, das Phlebödem sowie das sekundäre Lymphödem (auch Lipolymphödem genannt). In vielen Fällen dauert es bis zu zehn Jahre, bis die Diagnose Lipödem gestellt werden kann. Für die Patientin bedeutet das einen langen Leidensweg, auf dem sie mit unzähligen Diäten und Sport versucht hat, ihr Aussehen zu verändern. Viele geben irgendwann frustriert auf und leiden unter psychischen Problemen, die ihre Lebensqualität weiter einschränken.
Hintergründe der Fettverteilungsstörung
Warum es zu der Erkrankung kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Sicher ist bisher, dass es eine genetische Veranlagung sowie einen Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen gibt. In der Folge kommt es zu einer Veränderung des Unterhautfettgewebes.
Diese Symptome des Lipödems sollten Sie kennen
Das Lipödem wird in vier Stadien eingeteilt, die die Struktur des Gewebes und die Textur der Haut beschreiben. Bei dieser gängigen Form der Stadieneinteilung wird ein sehr wichtiger Parameter des Lipödems – nämlich der Schmerz – nicht berücksichtigt. Denn bereits im Stadium I, bei dem die Hautoberfläche noch sehr glatt scheint, können Patientinnen unter massiven Schmerzen in den Extremitäten leiden, die langes Gehen und Stehen unmöglich machen. Ein solcher Befund muss anders therapiert werden als bei einer Patientin in Stadium I, die kaum oder keine Schmerzen hat. Grundsätzlich kann das Lipödem in jedem Stadium mit Kompression behandelt und jederzeit operiert werden.
Stadium I: Hautoberfläche glatt, Unterhautfett verdickt, Fettstruktur feinknotig
Stadium II: Hautoberfläche uneben, Fettstruktur grobknotig
Stadium III: Gewebe zusätzlich derber und härter, grosslappig deformierende Fettlappen
Stadium IV: zusätzlich starkes Lipolymphödem
Im Gegensatz zur Stadieneinteilung, die die Beschaffenheit der Haut und des Gewebes betrachtet, rücken bei der Klassifizierung nach Typen die betroffenen Körperareale in den Fokus.
Typ 1: Das Unterhautfett ist vor allem im Bereich von Gesäss und Hüften vermehrt, die sogenannten Reiterhosen sind die Folge.
Typ 2: Das Lipödem hat sich bis zu den Knien ausgebreitet, und es kommt zur vermehrten Bildung von Fett an den Innenseiten der Knie.
Typ 3: Die Erkrankung reicht jetzt von den Hüften bis zu den Fussknöcheln.
Typ 4: Das Lipödem betrifft nun auch noch die Arme. Die Handgelenke sind nicht betroffen.
Gut zu wissen: Das Lipolymphödem ist eine Mischform aus Lipödem und Lymphödem, das sich entwickeln kann, wenn ein Lipödem zu lange unbehandelt bleibt.
Spannungsgefühl, Druckempfindlichkeit und Druckschmerzen
Oft tritt ein starkes Spannungsgefühl auf und die Berührungsempfindlichkeit steigt immer weiter an – dazu kommt die Bewegungseinschränkung, die mit stark geschwollenen Beinen einhergeht. Der Druckschmerz entsteht durch die Wasseransammlungen in den Fettzellen. Durch den Volumenzuwachs wird Druck auf das umliegende Gewebe ausgeübt und Spannung entsteht. Folglich reagiert die Haut schmerzhaft auf Berührung und Druck. Je weiter das Lipödem fortschreitet, desto stärker können die Beschwerden werden. Beine, Arme oder Hüften können dann auch ohne Druck schmerzen, und der Umfang nimmt zu.
Blaue Flecken (Hämatome)
Die Haut von Lipödem-Patientinnen neigt dazu, sehr leicht blaue Flecke zu bilden. Ursächlich hierfür ist die gestörte Kapillarpermeabilität der Blutgefässe. Dadurch werden sowohl Flüssigkeiten leichter durch die Gefässwand in das umliegende Gewebe gedrückt, als auch rote Blutkörperchen. Somit führen schon leichte Stösse zu blauen Flecken.
Psychische Belastung
Auch der psychische Aspekt sollte nicht ausser Acht gelassen werden. In den meisten Fällen erkennen Mitmenschen nicht, dass die Betroffene an einem Lipödem leidet und die Fettpolster nicht aufgrund von Übergewicht oder mangelnder Disziplin entstanden sind.
Weitere Symptome
- Schmerzen
- Kältegefühl in Armen und Beinen
- Schweregefühl der Beine und Arme
Die Beschwerden bei Lipödem wie Schmerzen oder Schweregefühl verschlimmern sich in bestimmten Situationen:
- warmes Wetter
- Sauna
- langes Stehen
- langes Sitzen
- abends
Wie stark die Beschwerden bei einem Lipödem sind, ist individuell verschieden. Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann sich über die Jahre zusätzlich ein Lymphödem entwickeln. Das bedeutet, dass Lymphflüssigkeit nicht aus dem Gewebe abfliessen kann, wodurch die Schwellungen noch weiter zunehmen. Ein Lipödem ist, egal in welchem Stadium, stets eine grosse Belastung. Das veränderte Aussehen sowie die Schmerzen führen zu einem hohen Leidensdruck, der die Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Unterschiede zwischen Lipödem und Lymphödem
Ein Lymphödem ist eine Ansammlung von Gewebeflüssigkeit, die meist als Folge einer Erkrankung entsteht. Ein Lymphödem kann aus einem Lipödem entstehen, wenn das Lymphsystem die Lymphflüssigkeit nicht mehr abtransportieren kann. Die Flüssigkeit staut sich auf und Arme und Hände sowie Beine und Füsse schwellen an. Beim Lymphödem werden zwei verschiedene Arten unterschieden: Das primäre Lymphödem ist angeboren und tritt eher selten auf. Im Gegensatz dazu tritt das sekundäre Lymphödem häufig auf und entsteht durch Operationen, Bestrahlungen, Krankheiten, Verletzungen oder Infektionen.
Lipödem und Ernährung: Könnte ab und zu auch helfen
Bisher ist die wissenschaftliche Studienlage zur Ernährung bei Lipödem-Patienten sehr dünn. Es ist jedoch eindeutig – eine Diät ist der falsche Therapieansatz. Um einen nachhaltigen Erfolg bei einer Gewichtsreduktion zu erzielen, geht es nicht um Verzicht, sondern vielmehr um eine bewusste Ernährungsumstellung mit Freude und Genuss beim Essen. Eine positive Einstellung bei einer gesunden, ausgewogenen Ernährung und der Gedanke „ich möchte etwas Gutes für mich tun“ sind die besten Voraussetzungen dafür. Ein zu hoher Spiegel des Bauchspeicheldrüsenhormons und eine daraus resultierende Bauchspeicheldrüsen-Resistenz sollte unbedingt vermieden werden. Dabei kommt es nämlich häufig zu einer Vermehrung des sogenannten viszeralen Fetts, was zu Entzündungen führt und eine der Hauptursachen für den Schmerz beim Lipödem darstellt.
- Trinken Sie mindestens 2 Liter täglich, bevorzugen Sie hierbei Wasser. Ungesüsste Kräuter- oder Früchtetees sind aber ebenfalls geeignet.
- Ernähren Sie sich vitalstoff- und enzymreich, nehmen Sie zusätzlich genügend Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente sowie sekundäre Pflanzenstoffe auf.
- Wählen Sie adäquate und gut verarbeite Lebensmittel aus, diese steigern Ihr Wohlbefinden.
- Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Muskulatur trainieren, denn so können Sie Ihren Grundumsatz aufrechterhalten.
- Essen Sie viel frisches Gemüse.
- Versuchen Sie, gute Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten, Gemüse und Obst zu essen.
- Wenn Sie gerne Fisch essen, eignet sich Seefisch sehr gut. Diesen können Sie 1-2x pro Woche in Ihren Essensplan einbinden. Bevorzugte Kaltwasserfische sind Hering, Lachs oder Makrele.
- Essen Sie nicht täglich Fleisch, auch pflanzliches Eiweiss ist wertvoll. Dadurch reduzieren Sie gleichzeitig das Cholesterin.
- Sie müssen nicht vollständig auf Fett verzichten, sollten jedoch versuchen, Fette in Fleisch, Wurst, Käse, Sahne und Süssigkeiten zu meiden. Ziehen Sie ungesättigte Fette aus Ölen vor. Für das Kochen eignet sich sehr gut Rapsöl oder Olivenöl, für die kalte Küche können Sie z.B. Walnussöl oder Leinöl für Salate verwenden.
Wenn keine natürlichen Tipps funktionieren, probieren Sie die professionelle Behandlung des Lipödems aus.
Ein Lipödem kann nicht ursächlich geheilt werden. Nach dem heutigen Stand des Wissens gibt es für die Therapie des Lipödems lediglich diese Optionen:
- Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE)
- operative Entfernung des krankhaft vermehrten Fettgewebes (Liposuktion)
Die KPE ist eine konservative (= ohne Operation) Therapie, die zur Verbesserung bzw. Beseitigung der Beschwerden beitragen, eine Zunahme des Lipödems und das Entstehen eines Lipo-Lymphödems verhindern oder verlangsamen kann. Eine nennenswerte Verringerung des Fettgewebes ist damit jedoch nicht möglich, dies kann nur durch operative Massnahmen (Liposuktion) erreicht werden.
Gründe, die gegen eine Liposuktion des Lipödems sprechen (Kontraindikationen)
- übertriebene Erwartungshaltung der Patientin
- Schwangerschaft
- bestehendes Lymphödem
- bekannte Allergie gegen Inhaltsstoffe der Anästhetika
- zu hohes OP-Risiko gemäss ASA-Klassifikation (American Society of Anesthesiologists), muss vom Arzt sorgfältig abgeklärt werden
- ausgeprägte Herz-Lungen-Erkrankungen
- Leber- und Nierenschäden
- bekannte Krampfneigung
- bekannte Thromboseneigung
- Einnahme gerinnungshemmender Medikamente
- generalisierte Adipositas
- Körpergewicht über 120 kg
- Patientin hat sehr schlaffe Haut
- Lipödem Stadium III
Lipödem und Naturheilkunde
Die Lymphdrainage hilft vor allem bei der Bekämpfung der Beschwerden, die Ursache selbst wird aber auch mit der Lymphdrainage nicht beseitigt. Zur Unterstützung der Behandlung sollten Betroffene die Benützung von Kompressionsstrümpfen in Erwägung ziehen. Ebenfalls zur Linderung der Beschwerden hat sich die Schröpfmassage (Ba Guan) bewährt. Es handelt sich hierbei um ein ausleitendes Verfahren, mit dessen Hilfe versucht wird, Stauungen aufzulösen. Die Schröpfmassage in Kombination mit einer Lymphdrainage hat sich besonders bewährt.
Das Leben verändert sich mit der Diagnose Lipödem schlagartig. Patientinnen können sich auf vielfältige Weise mit dem Thema auseinandersetzen und sich darüber informieren. Neben dem Arzt finden Sie auch in Selbsthilfegruppen, die regelmässige Treffen veranstalten, Rat und Hilfe. Darüber hinaus liefern Blogs von betroffenen Frauen Inspiration und alltägliche Tipps für das Leben mit Lipödem. Diese Tipps drehen sich vor allem um Ernährung, Sport, Behandlung, die Diagnosestellung der Erkrankung sowie um Hautpflege und Hautschutz, um Verletzungen der empfindlichen Haut vorzubeugen.